Eine gefährliche Droge
Es ist Freitag. Ich habe Feierabend. Schlechte Laune. Verdammte Depressionen. Ein denkbar schlechtes Setting für den erstmaligen Konsum von LSD. Als langjähiger Außenseiter verzichte ich auf einen Trip-Sitter. Ich komme ausgezeichnet mit mir alleine zurecht.
Auf Empfehlung meines Kumpels und Dealers lege mir anfangs nur eine halbe Pappe auf die Zunge. Mulmiges Gefühl. Ich schlüpfe in meine Jacke. Packe meinen Rucksack mit alten Büchern, die ich in einen öffentlichen Bücherschrank abgeben möchte. Raus aus der Wohnung. Eine graue Wolkendecke versperrt mir die Sicht in den Himmel. Farbloser Tag.
Mir liegen die Bücher schwer im Rucksack; schwer auf meinen Schultern. In meiner kreativen Müdigkeit stelle ich fest, wie schwer Wissen sein kann. In diesem Fall mindestens zehn Kilo, die ich quer durch meinen Vorort schleppe. Fühle mich wie ein Packesel. Schleppe Pflichten durch die Gegend.
Am Bücherschrank angekommen, lege ich meine alten Bücher in den Schrank, und mache mich mit leeren Rucksack auf meinen Nachhauseweg. Mich ergreift ein plötzliches Gefühl von Leichtfüßigkeit, das vielleicht dem endlich leeren Rucksack geschuldet ist, vielleicht aber auch dem LSD.
Milde Kopfschmerzen. Ich denke über Farben nach. Mache einen Abstecher zu Edeka und widme mich einem spontanem Heißhunger. Pekanüsse, Smoothies, ein Karton Mandelmilch. Ich stehe in der Kassenschlange und lege meine Einkäufe auf das Kassenlaufband. Ich werfe einen Blick auf meine Mandelmilch und fühle mich ihr tief verbunden. Arme Mandelmilch. Chargenweise abgefüllt und auf Laufbändern abkassiert. Genau wie die Kunden: Chargenweise dackeln sie zur Kasse und lassen sich abkassieren.
Zuhause angekommen. Blendende Laune. Ich lache über meinen selbsterdachten Stuss und bin völlig mit mir im Reinen. Zufriedenheit. Ich höre Musik. Im Refrain erkenne ich den Sinn des Lebens. Schlagartig ergibt alles Sinn. In meinem Kühlschrank finde ich einen Grießpudding. Kann mein Glück kaum fassen. Grießpudding mit Himbeergeschmack von Landliebe. Geheiligt sei dein Name.
Ich denke über Konsum nach. Im Allgemeinen. Netflix, Spotify, Youtube, Fressen. Muss das alles sein? Kurzweilige Späße lenken vom Großen Ganzen ab. Ich sollte nicht so hirnlos vor mich hinkonsumieren. Ich sage Ja zu Nein. Ich werfe den verbliebenen Grießpudding in den Müll.
Die Optiks sind der Wahnsinn. Der graue Tag liegt hinter mir. Ich tanze in Farben. Ein Blick in den Spiegel. Riesige Pupillen. Meine Augenbrauen atmen. Schattenspiele auf dem Boden. Unendliche Wüsten auf meiner Hand. Die Glitzerplättchen in meiner Lavalampe reflektieren das Licht in meine Seele und durch mich durch. Eine verloren geglaubte Liebe findet neues Feuer.
Habe Lust, eine zu rauchen. Gehe vor die Tür und mache Raucherpause. Auch der LSD-Trip macht Raucherpause. Wie ich so draußen stehe und an der Zigarette ziehe, fühle ich mich normal. Bloß der Kopf hört nicht zu Brummen auf. Fühlt sich an, als würde das Gehirn gegen die Schädeldecke drücken. Leichter Schmerz hinter den Augen. Noch im erträglichen Rahmen.
Nach etwa 5 Stunden schwinden die Optiks. Ich denke über meine Zukunft nach. Reflektiere mein Leben. Müde. Ich lege mich ins Bett. Versuche zu schlafen, doch bin noch zu wach. Ich tigere in meiner Wohnung umher und versuche, dem Trip noch etwas abzugewinnen, verwerfe das Unterfangen aber bald wieder. Nutzenorientiertes Konsumbestreben macht auch vor LSD nicht halt. Und Spiritualität funktioniert nicht auf Knopfdruck.
Gegen 4 Uhr morgens kriege ich endlich ein bisschen Schlaf auf die Kette. Meine Augen schmerzen von der schieren Masse des visuellen Inputs. Und mein Kopf rattert pausenlos. So viele Ideen. So viele Türen. Nur aufmachen muss man sie.
Wird der LSD-Trip etwas bleibendes hinterlassen? Werden die neuen Einsichten den Alltag überdauern? Das wird sich zeigen. Am Montag beginnt eine neue Woche im Hamsterrad. In meinen neuen Einsichten sehe ich Möglichkeiten, das Hamsterrad zu verlassen. Ich glaube nicht an das Suchtpotenzial von LSD, aber ich glaube an die Gefahr der Unvermeidlichkeit des Hamsterrads. Die Miete will gezahlt werden, und die Vorgesetzten verlangen Hingabe an den Job. Man muss süchtig sein, um frei sein zu dürfen.
Substanzen
- LSD
Kommentare
Kommentar von Gast |
Nice. Ich weiss nicht ob ich
Nice. Ich weiss nicht ob ich den letzten satz versteheKommentar von Wurstsalat |
Spannend geschrieben - Danke
Spannend geschrieben - Danke für dein Bericht und alles gute!
Kommentar von Sammy |
Toller text
Hat mir echt Spaß gemacht deine zeilen zu lesenKommentar von Johnny |
Nice.
Sehr schön geschriebener Text. Hat Spaß gemacht ihn zu lesen.
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