Eine Stellungnahme zu MDMA/ Ecstasy
Hy!
Ich habe viele Jahre nicht oder nur sehr wenig über meinen Konsum gesprochen, unter anderem darum, weil ich lange brauchte, um eine klare Haltung zu MDMA und Ecstasy zu entwickeln. Selber bin ich schleichend zum Drogenkonsum gekommen, aber - so wie es vielen geht - hat mich das Erleben auf MDMA so dermassen fasziniert, dass ich davon nicht mehr losgekommen bin. Ich wurde mehr und mehr süchtig, auch wenn in vielen Foren und Fachzeitschriften formuliert wird, dass Sucht und MDMA /Ecstasy qausi ausgeschlossen werden kann. Weil du einfach nicht mehr so stark darauf reagierst, wenn du viel davon nimmst. Aber das stimmt so auch nur bedingt. Denn eine ganze Weile, so das für mich quasi "natürliche" Verhalten, suchst du dann eher nach Möglichkeiten, trotzdem auf ein intensives Erleben (oder "Flash") zu kommen, beispielsweise durch eine Erhöung der Dosis, oder weil du irgendwelche Nüsse frisst oder dir sonst Dinge überlegst, die du dir früher wohl nie überlegt hättest, wie du wieder an einen anständigen Serotoninhaushalt gelangst. Selbstverständlich muss das bei dir nicht so sein, aber dass hier ist ja ein Erfahrungsbericht und ehrlichweise freue ich mich, wenn er dir etwas bringt - und wenn halt nicht, dann halt nicht.
Also. Der Punkt ist. Eine ganze Weile mag die Geschichte gut gehen, jedenfalls für dein Empfinden. Und ich muss ganz klar sagen: Meine eigene "Liebeswelt" war so unglaublich schön auf MDMA, dass ich einfach wusste, da will ich weiter dranbleiben, suchen, untersuchen, forschen. Ich meinte eine zeitlang sogar, dass dieser Zustand, auf MDMA, mein eigentlich richtiger, gesunder Zustand wäre, diese Offenheit, diese Liebe, diese Wärme und Empathie - und, interessanterweise - finde ich daran auch aus heutiger Perspektive, eine gewisse tiefere Erkenntnis, nämlich dass ich danach aus meinem Innersten sehr strebe und mich danach sehne. Wärme. Liebe. Wie wohl die meisten Menschen auch.
Das Problem ist aber folgendes: je mehr ich den Eindruck hatte, näher an dieser Liebe, dieser Wahrheit zu sein, desto "verschobener" war dieses Empfinden mit dem Empfinden meiner Umgebung. Ich MEINTE zwar, ich sei so liebevoll und warm, aber de Facto waren meine Augen immer kühler - dass ist übrigens etwas, woran ich auch heute einen Konsumenten sehr schnell erkenne, an den Augen, die kühler, lebloser sind - und ich merkte, dass sich mehr und mehr Menschen von mir distanzierten und ich andere Freunde bekam, von denen ich dachte, sie seien näher dran. Fakt ist, ich driftete immer mehr ab, mit jedem Schritt bei dem ich meinte, ich sei "näher" an dem, was das Leben im Innersten aus macht.
Da der ganze innere Haushalt (Dopamin, Serontonin) durch den Drogenkonsum vollkommen durcheinanderkommt, ist das auch nicht mehr von einem Tag auf den anderen in Ordnung zu bringen. Es folgten harte Zeiten, weil ich - wie fast alle, von denen ich gehört hatte - immer meinte, ich hätte den Drogenkonsum im Griff - mir heute aber eingestehen muss, dass man den Drogenkonsum (und ich spreche jetzt sogar nur von MDMA) meiner Meinung nach nicht im Griff haben kann. Denn deine Feinheit, dein Inneres Leuchten, davon bin ich heute überzeugt, kann unter Konsum von MDMA nicht gleich sein, wie wenn du einfach nur klar, besonnen, liebevoll und achtsam mit deiner Umgegbung unterwegs bist, ja, auch mit den Problemen unserer Zeit irgendwie einen Umgang findest, ohne so "abzutauchen", denn irgendwann gibt es nur noch das als "schönste Erlebnisse", was aber ist mit den kleinen Dingen, die dir früher Freude gemacht hatten?
Ich bemerkte, dass ich durch einen wunderschönenen Wald ging und mir plötztlich vorstellte, wie genial das wohl wäre, hier auf MDMA zu sein. Immer wieder diese Gedanken, diese Überlegungen. Und dann aber auch die Feststellung: "hey, ich kann nirgends mehr einfach nur so eine Sache geniessen, ohne an MDMA zu denken". Wow. Ich wollte frei sein, erlebte aber immer mehr Unfreiheit und dazu eine soziale Isolation, die ich nicht wirklich als solche Begreifen konnte, denn ich war ja abhängig von MDMA.
Meine Geschichte nahm kein Happyend. Meine Wahrnehmungen genüber meiner Umwelt wurde immer "verschobener", aber ich wusste es nicht. Ich weiss es heute, weil ich mich jahrelang mit Neurologie beschäftigt habe und nun wieder in der Wissenschaft tätig bin. Ich arbeite in der Pädagogigk. Fakt ist: wir lernen die ganze Zeit. Aber MDMA gibt dir auch mit den blödesten Gedanken ein so unglaublich schönes Gefühl, wofür unser Gehirn eigentlich nicht gemacht ist. Dein Belohnungssystem schüttet ja dann Serotonin aus, wenn du beispielsweise merkst, dass du in der Gesellschaft schöne Gefühle erfährst, oder auf einen Berg gerannt bist und etwas schönes geleistet hast, was dem Körper auch gut tut, ihn gesund hält. Oder in der Gesellschaft, weil du Teil der Gemeinschaft bist und dich als solches positiv erlebst. MDMA gibt dir aber IMMER diese Belohnung. Aber weil du - so mein Empfinden- jetzt in den schiefesten Lebenslagen solche Erlebnisse haben kannst, kann da schnell etwas nicht mehr stimmen mit der Art und Weise, wie man seine Umgebung im Normalzustand wahrnimmt - und umgekehrt wahrgenommen werden kann. Aber das checkt man ja nicht, weil man ein Drogengefangener ist, sich das aber ja auch nicht eingestehen will. Jedenfalls war es bei mir so und ich kenne es von vielen, vielen anderen Menschen. Nicht mehr alle sind am leben, weil die Prozesse schleichend waren, irgendwann ist man dann eben auch offener, etwas anderes zu konsumieren und dann kann man sein Leben - denke ich - wirklich von einem auf den andern Tag auf das Spiel setzen.
Also nochmals zu dem nicht Happy End. Ich landete irgendwann in der Psychiatrie. Psychotische Störung. Damit ging ich durch die Hölle. Verlor fast mein Leben, weil ich schlichtweg falsch wahrnahm, was sich um mich abspielte (die Ärzte wollen mich umbringen, nicht ich, sondern die Gesellschaft ist krank, etc., etc.). Der langen Rede kurzer Sinn. In seinen Stoffwechsel einzuwirken mit Stoffen wie MDMA es eben auch ist, ist äusserst heikel.
Davon wegzukommen, wenn man mal drin ist, kann Jahre dauern und ist ein harter Weg - denn vielen gefällt es ja und bei vielen mögen die Auswirkungen weniger krass sein, als sie bei mir innert einer Zeitspanne von etwa 3 Jahren einen fatalen Höhepunkt nahmen in der Psychiatrie. Dennoch wünsche ich jedem, dass er diesen Weg schafft. Es ist machbar, aber es braucht Zeit und Geduld, vor allem die Willenskraft muss erst einmal neu aufgebaut werden, dahinter muss aber die Erkenntnis stehen, dass man so nicht mehr weitermachen will, dahinleben, mit den Drogen. Auch das: kann Jahre dauern. Bei mir waren es die Erlebnisse im Wald und die damit verbundene Erkenntnis: "hey, immer wenn ich an Orten bin, die ich früher auch so geniessen konnte, kann ich das nicht mehr ohne an MDMA zu denken, ich bin abhängig von dieser Pille, wo ich doch frei sein will" Und: "ich will nie, wirklich nie, dass es soweit kommt, dass ich meinen Kindern eines Tage erzählen muss, das schönste in meinem Leben seien meine Drogenerlebnisse", was für eine traurige Perspektive. Irgendwas sehr gesundes in mir wusste, dass das nicht stimmen konnte. Und ja, der Crash mit der Psychiatrie, der hat mir auch geholfen.
Ich rate jedem, sich nicht selber zu belügen. Wenn man es halt machen will, dann was soll man sagen, ok, ich habs ja auch gemacht - auch wenn ich es bereue. Aber sich einzubilden, man hätte es im Griff, vielleicht, weil man nur einmal im Jahr konsumiert, auch daran glaube ich nicht, weil ich daran glaube, dass MDMA wegen den hier beschriebenen Mechanismen immer schädlich ist für die Psyche. Frei sein steht dem gegenüber und die Intelligenz, an mir und der Gesellschaft zu arbeiten, von der ich auch ein Teil bin als Individuum, so, dass man sich auch ohne MDMA glücklich erlebt und das Zusammen in Gemeinschaft, in Liebe, und so weiter, dass ist dann mein neues Ziel. Ich glaube, eben genau diese Intelligenz, diese Wachsamkeit und Fähigkeit leidet immer beim Konsum, auch wenn es nur sehr selten ist.
Mir hätte damals dieser Rat geholfen, vielleicht, jedenfalls. Andererseits war ich so dermassen neugierig und sicher, dass das mein Weg sei, ihn weiter zu erforschen, etc., ich ertappe mich in meinem alten "Ich", wie ich solche Texte wohl einfach überflogen hätte, um wieder andere zu lesen, die berichten, wie unglaublich geil MDMA sei, was für eine Lebenserfahrung, etc. Bitter, denn das ist bereits eine Form der Verzerrung, aus meiner heutigen Sicht.
Ich schätze jeden glücklich, der es für immer bleiben lassen kann. Das muss ich heute ehrlich sagen. Denn dann hört auch die Selbstlüge auf, zu meinen, man hätte irgendwas im Griff. Wer nicht mindenstens drei Jahre lang kein MDMA konsumiert hat, dem glaube ich auch nicht, dass er es im Griff hat. Nach drei Jahren kann man es vielleicht langsam erwägen, dann ist schon einiges wieder korrigiert, weil, so denke ich, wir genügend Heilkräfte in uns tragen, um psychisch zu gesunden.
Die Gesundheit beginnt ab dem Punkt, ab dem man entschliesst, nicht mehr zu konsumieren. Dauerhaft. Und Alternativen sucht, die langfristig gesund sind. Bewegung, Sport, gesunde Fragen wie: "was kann ich für mein Leben, mein Wohlsein in der Gesellschaft tun? Was für Ziele will ich mir setzen? Etc.". Aber auch hier möchte ich nochmals sagen: Das ist nur meine Meinung und ich bin mir sicher, sehr viele, die regelmässig oder auch regelmässig und sehr selten konsumieren, mögen das anders sehen. Das ist ok. Ich möchte das einfach teilen, in der Hoffnung, es könnte jemandem etwas bringen, ihm helfen, Hilfe zu suchen und auszusteigen. Dies ist mein Erfahrungsbericht.
mit grossem Respekt vor allen, die auf der Suche sind. Meine Suche muss ohne Drogen weitergehen, denn die Suche mit den Drogen hat sich für mich als unfrei herausgestellt - meine Wahrheit aber muss immer auch eine sein, die Freiheit integriert (zum Beispiel bezogen auf das Waldbeispiel, frei zu sein, nicht an eine Pille denken zu müssen). So eifnach ist das.
Herzlich und alles Gute
[...] [Name wurde von der Redaktion entfernt]
Substanzen
- Ecstasy / MDMA
Kommentare
Kommentar von quaza |
Schöner Text
Super Text, hat mich persönlich zum Nachdenken angeregt! Danke!!
Kommentar von hui |
Hallo Unbekannter,
danke für deinen tollen und reflektieren Text dazu. Ich habe gerade mein erstes Mal hinter mir und bin immernoch sehr überwältigt von der Wirkung. Ich bin ein ruhiger, verschlossener Typ, der gar nicht aus dem Techno kommt. Der Abend war für mich in vielerlei Hinsicht phantastisch und abenteuerlich.
Aber genau die Punkte, die du ansprichst habe ich mir hinterher auch gestellt. Es ist ein schönes Werkzeug, aber ist es ein gutes Werkzeug? Ich würde mich selbst nicht als Suchttypen oder manipulierbar beschreiben. Alkohol kann ich problemlos stehen lassen, andere Substanzen nehme ich nicht. Aber ich sage auch, das mehrere Jahre Depression was mit einem machen. Vielleicht ist die Wirkung dadurch auch anders. Auch Tage nach dem Konsum und der Wirkung (ich habe 2 Tage danach noch Wirkung gehört, bin da aber auch sehr feinfühlig ) sind meine Beschwerden weg und die Stimmung und Energie noch da. Aber genau die Frage ist: hilft es, wenn es nur "mit" geht?
Ich nutze die Energie so lange es geht. Mein Körper scheint die Wirkung auch auf die Musik und Menschen zu übertragen, denn schon beim Musik hören bin ich in einer euphorischen Stimmung, wie ich es vorher nicht kannte, und ich war schon immer über Musik zu beeinflussen. So aber bisher nicht.
Es hat mir eine Welt gezeigt, die schön ist. Aber so lange es geht, soll meine Droge die Musik bleiben. Egal welche. Musik kann auch ein Werkzeug sein.
Grüße
Hui
Einen Kommentar schreiben