"Zur Geschichte von Heroin" oder "101 Jahre Hustensaft"
1998 war es genau ein Jahrhundert her, dass die deutsche Pharma-Firma BAYER das Patent für ein neues sehr wirksames Hustenmittel anmeldete - Heroin. Hinter diesem Produktnamen verbirgt sich der Stoff Diacetylmorphin, welcher aus Morphin synthetisiert wird (mehr zur Herstellung von Heroin unter 'Wie wird Heroin hergestellt?').
Erstmals gelang dies 1874 in England. Es wurden Versuche durchgeführt und nach kurzer Erprobungsphase brachte BAYER 1898 das Diacetylmorphin unter dem Markennamen Heroin auf den Markt und verbreitete es gezielt und massiv mit einer weltweiten Werbekampagne in 12 Sprachen.
Heroin wurde nicht nur als Hustenmittel (Atmungssedativum) eingesetzt, sondern fand auch Anwendung bei Herzerkrankungen, zur Geburts- und Narkoseeinleitung, bei Lungenerkrankungen, aber auch bei Bluthochdruck etc. Die Nebenwirkungen erschienen so gering wie bei kaum einem anderen Medikament: lediglich Verstopfung und leichte sexuelle Lustlosigkeit wurden beschrieben. Zunächst vermutete man, dass Heroin, im Gegensatz zu Morphin, keine Abhängigkeit hervorruft - weshalb es auch als "Ersatzmedikament" bei Morphinabhängigkeit eingesetzt wurde. Aber auch beim Heroin wurde immer häufiger vor einer Abhängigkeit gewarnt - ein Effekt, der bei Arzneimitteln aber nichts Ungewöhnliches war bzw. ist.
Bereits ein Jahr nach der Patentierung lieferten die BAYER-Werke das Produkt Heroin in 23 Länder und bis 1913 betrug die Jahresproduktion eine Tonne reines Heroin! Bis 1926 stiegen die Zahlen weiter an, in Deutschland auf 1,8 Tonnen und in der Schweiz sogar auf 3,9 Tonnen Heroin! Heroin wurde jedoch nicht nur für medizinische Zwecke produziert, was sich an der Überproduktion erkennen läßt. Der Weltbedarf an Opium für rein medizinische Zwecke betrug 500 bis 600 Tonnen. Die Produktion überschritt aber mehr als das Zehnfache des legitimen Bedarfes.
Vor allem in den USA stieg zu Beginn dieses Jahrhunderts die Ablehnung des nicht medizinisch begründeten Konsums von Heroin und anderen Rauschmitteln (wie auch des Alkohols). So fanden Konferenzen zu dieser Thematik statt und es wurden auf internationaler Ebene Abkommen bezüglich der Reglementierung des Konsums und Handels mit Opium, Morphium, Heroin, Kokain und später auch mit THC-haltigem Hanf getroffen. Jedoch traten einzelne Staaten diesem Abkommen nur zögerlich bei, da die wirtschaftlichen Interessen, die sie mit den Drogen verbanden, zu gross waren. Das änderte sich, nachdem auf Druck der USA im Versailler Friedensvertrag ein Paragraph aufgenommen wurde, der die vertragschließenden Teile verpflichtete, das Opiumabkommen von 1912 zu unterzeichnen und anzuerkennen. Aufgrund dessen traten 1920 insgesamt 43 Staaten diesem Abkommen bei.
Eines der bis dahin wichtigsten Abkommen war die bis heute gültige 'Single Convention on Narcotic Drugs' von 1961. Seit Verabschiedung dieser Konvention ist nicht nur, wie bisher, der Konsum von Opiumprodukten, sondern auch von Kokain- und Cannabisprodukten zu anderen als wissenschaftlichen und medizinischen Zwecken verboten. Dieses Abkommen wurde 1971 durch ein Übereinkommen über psychotrope Stoffe (Halluzinogene, Stimulantien, Hypnotika und Tranquillantien, die synthetisch hergestellt werden können) ergänzt. Es folgten weitere Zusätze und Ergänzungen dieses Übereinkommens.
In Deutschland ist das Betäubungsmittelgesetz seit 1971 die Grundlage zum juristischen Umgang mit Betäubungsmitteln, also auch mit Heroin.